So sind sie würdig des Vaterlandes als Helden gefallen. Uns aber lasset, ob wir auch um einen unblutigeren Ausgang flehen, doch von derselben mannhaften Gesinnung vor dem Feind erfunden werden und nicht nur müssig reden hören von ihrer Nützlichkeit, von der ihr ohne viel Worte und ohne Aufzählung aller Vortheile einer nachdrücklichen Verteidigung schon selbst überzeugt seid, sondern unverdrossen handeln lasst uns für das Vaterland, um seine Grösse zu begreifen und für sie zu erwarmen. Und wenn ihr Bewunderung für sie fühlt, vergesset nicht, dass Männer von Muth, Umsicht und kriegerischem Ehrgefühl es waren, die sie begründet, die wenn ihnen auch zuweilen ein Unternehmen mislang, sich geschämt, desshalb dem Vaterlande ihre Dienste zu entziehen, sondern mit Freuden ihm das beneidenswertheste Opfer dargebracht haben. Denn für ihr dem Staate geopfertes Leben ist ihnen zum Lohn unsterblicher Ruhm und die ehrenvollste Grabschrift geworden, nicht auf dem Grab von Erde, sondern auf dem, wo ihr Ruhm, so oft ihr Name genannt, ihr Beispiel nachgeahmt wird, unvergesslich fortlebt. Denn ruhmwürdige Männer haben die ganze Erde zu ihrem Grabmal, und nicht der Buchstabe nur auf dem Grabstein in der Heimat, sondern auch in der Fremde ein lebendiges Andenken, unsichtbar in alle Herzen geschrieben, bewahrt ihren Namen. Und solchen Vorbildern gilt es jetzt nachzustreben. In der Freiheit sei unser Glück, unsre Freiheit in dem Muthe, und keiner achte seine Pflicht als Krieger gering. Soll der Arme, dem die Zukunft nur Trübes zeigt, sein Leben daransetzen, und nicht vielmehr derjenige, welchem der entgegengesetzte Glückswechsel zu fürchten, der bei einer Niederlage mit den wichtigsten Interessen betheiligt ist? Denn die Entehrung, welche der Feigheit folgt, dünkt dem Manne von Ehre ein empfindlicheres Unglück als ein Tod ohne Schmerz, in der Blüthe der Kraft und vaterländischer Hoffnung. Darum ihr Eltern der Gefallenen in dieser Versammlung, erwartet hier von mir nicht Worte der Klage, sondern des Trostes. Was ist doch unser Leben, als ein Launenspiel des Schicksals, und wer ist der Glückliche als der, dem der Tod der Ehren wie diesen, dem eine Trauer gleich der euren zu Theil ward, dem nach würdigem Genuss des Lebens ein gleiches Ende beschieden war. Wohl mag das Gefühl noch oft widersprechen, so oft euer Auge bei andern dem Glücke begegnet, das für euch nun dahin ist, auch trauert das Herz nicht um die Entbehrung nie genossener Güter, sondern um langgewohnte, die ihm entrissen wurden. Doch fasset Muth, auch Söhne können euch noch werden, wer noch auf Leibesfrucht zu hoffen hat. Ein frischer Nachwuchs wird manchem seinen Verlust vergessen machen, und das Vaterland wird sich freuen, dass die Lücken sich wieder füllen und seine Bürgschaften sich mehren. Denn unmöglich kann derjenige redlich zum gemeinen Besten mitrathen , wer nicht auch als Vater mit seinen Mitbürgern die Gefahr theilt. Wer aber über den Mittag des Lebens hinaus ist, der mag sich an den vielen glücklichen Jahren, die ihm geworden, genügen lassen und sich seine übrige Spanne Zeit mit dem Nachruhm seiner Todten aufrichten. Denn Ehre allein verliert ihren Jugendreiz nicht, und ein geachteter Name ist es, nicht der Mammon, wie etliche sagen, woran das hinfällige Alter noch sich erfreut. Euch aber, den Söhnen und Brüdern der Gefallenen in dieser Versammlung, sind unerreichbare Muster vorgestellt. Denn den Ruhm der Todten tastet kein Neid mehr an, und glücklich noch, wem heroische Tugend nicht neben, sondern gleich nach ihnen einen Rang erwirbt. Misgunst und Eifersucht sind ja das Loos der Lebenden, und eine Liebe ohne Neider lohnt erst am Ziel der Kampfbahn. Noch sei mir ein Wort der Aufrichtung erlaubt an die Frauen, die jetzt Wittwenkleider tragen müssen. Was könnte ich ihnen weiter zurufen als: Fasset euch und mässiget das weibliche Gefühl; dies sei eurer Eingeiz und das Loos, bei Männern, sei's zu Lob oder Tadel, kaum genannt zu sein. Und nun, da ich als Festredner nach bestem Wissen dem Gesetze genügt, und die Veranstaltungen zur Ehre der Bestatteten theils schon beendigt, theils die alsbaldige Uebemahme der Erziehung ihrer Söhne bis zum Mannesalter vom Staate freigebig beschlossen ist — und solche Aufopferung jetzt und in Zukunft nicht ungelohnt zu lassen, ist er sich schuldig; denn je grösser der Ehrenpreis, der den Tapfern erwartet, desto mehr zuverlässige Männer hat der Staat — so trocknet die Thränen, die ihr den Euern geweint, und lasset uns gehen. Hrn. Dr. Krahner's Erläuterungen über den Gedankenplan des Epitaphios konnten verspäteter Zusendung wegen bei dem vorstehenden Uebersetzungsversuch leider nur theilweise berücksichtigt werden. 3. Die Vermittlerrede des Hermokrates. Im Sommer des' fünften Kriegsjahres (427) hatten die Athener eine Flotte von zwanzig Schiffen unter Anführung des Laches und Charoiades, dessen baldiger Tod indes den ersteren zum alleinigen Anführer machte, den Leotinern und den mit ihnen verbündeten Städten Naxos, Katana, Kamarina und Rhegium gegen die dorisch-syrakusanische Bundesgenossenschaft zu Hülfe geschickt. Von diesem vier Jahre andauernden sicilischeu Bürgerkrieg wird uns uur eine Reihe erfolgloser Verwüstungszüge berichtet, so 427 gegen die Inselbewohner von Lipara und die italischen Lokrer, 426 gegen die Sikulerstadt Inessa und in's Lokrische, 425 gegen Himera. Messana, von Laches zum Beitritt gezwungen, fiel bald wieder ab, 425. Die Unzulänglichkeit der athenischen Streitkräfte, die sich bald auch zur See herausstellte in den Seegefechten mit der neugebildeten syrakusanischen Flotte, bestimmte die Athener, dem Gesuch der Leontiner um Verstärkung zu willfahren und eine zweite Flotte von vierzig Schiffen unter Pythodorus, Sophokles und Eurymedon nachzusenden, die jedoch nur zum kleinsten Theile unter der Führung des erstgenannten Feldherren direkt nach Sicilien abging, während die grössere Hälfte, durch die Vorgänge bei Pylus und auf Korcyra unterwegs aufgehalten, erst kurz vor Wintersanfang daselbst anlangte. Das längere Ausbleiben dieser Unterstützung und der geringe Erfolg der athenischen Flotte, die sich in dem Hafen von Rhegium verbergen muste, scheinen eine Verstimmung bei den Bundesgenossen erzeugt zu haben, wozu noch die blutigen Verluste namentlich der Naxier und Messenier in ihren beiderseitigen Fehden das Ihre beitragen mochten, um einen allgemeinen Ueberdruss am Kriege hervorzurufen. Die Folge davon war im Sommer 424 ein Waffenstillstand zwischen Kamarina und Gela und bald auch ein allgemeiner Friedenskongress in letzterer Stadt, der jedoch nach den Andeutungen des Th. (4, 58) ohne das kräftige Auftreten des Hermokrates und den uneigennützigen Vorgang des mächtigsten sicilischen Staates an dem Widerstreit der Interessen wohl gescheitert sein würde. Männer von Sicilien! Ihr wisset, nicht die Ohnmacht meiner Vaterstadt oder ihre Erschöpfung durch den Krieg ist es, was mir diese Worte eingibt, sondern allein die uneigennützige Absicht, dem gesamten Sicilien den besten Rath zu ertheilen, den es nach meiner Ueberzeugung für dasselbe gibt. Ich möchte von dem Krieg und seinen Leiden anheben und über seine zahllosen Uebel mich verbreiten; indes ihr kennet sie ja. Denn so wenig Unkunde die Schuld trägt an einem aufgenöthigten Kriege, ebensowenig lässt sich die Eroberungslust durch Furcht von ihm zurückschrecken. Natürlich; ihr erscheinen die Vortheile grösser als die Gefahren, während man dort sich lieber den Kriegsgefahren aussetzen will, um einem gewissen Verlust zu entgehen. Aber eben wenn es sich ergibt, dass beide Grundsätze zur Unzeit in Anwendung gebracht werden, dann ist eine Mahnung zur Friedfertigkeit am Platze. Dies ist gerade unser Fall, und es liegt alles daran, dass wir uns davon überzeugen. Hat uns nicht alle bisher die Erwägung unserer Sonderinteressen geleitet in diesem Kriege wie heute bei unsern Friedensvorschlägen, wo wieder hin und hergerechtet wird, und falls es nicht jedem gelingt, zu seinem Rechte zu kommen, der Wiederausbruch des Krieges in gewisser Aussicht steht? Wisset aber, dass es heute, wenn wir klug sind, nicht über Sonderinteressen zu verhandeln gilt, sondern darüber, ob noch ein Mittel ist, ganz Sicilien vor den augenscheinlichen Eroberungsgelüsten Athens zu retten. Ueberzeugender in der That, als ich es vermöchte, mahnt Athen zu einer Beilegung unserer Händel. Denn was will der mächtigste Staat Griechenlands mit dieser kleinen Flotte an unsern Küsten, als auf unsere Fehler lauem und unter dem unverfänglichen Namen einer Bundeshülfe durch den Sehern der Grossmuth über seine wahren Absichten täuschen? Lasset es nur zum Kriege unter uns kommen und rufet sie dann herbei, sie, die nicht auf Einladung warten, sondern ungerufen erscheinen, vergeudet eure Mittel im verderblichen Bruderkrieg und arbeitet so ihrer Herrschsucht in die Hände , gewiss sie werden dann, wenn wir uns hinlänglich erschöpft haben, mit einer ganz andern Flotte kommen und das ganze Land sich zu unterwerfen suchen. Wiewohl will man einmal sich dazu entschliessen, Hulfsvölker ins Land zu rufen, so sollte man doch vernünftigerweise, statt das Eigene dabei zuzusetzen, wenigstens für seinen Staat einen Gewinn absehen und nie vergessen, dass für unsere Städte, dass für Sicilien nichts so verderblich ist als der innere Hader, welcher angesichts der Gefahren des Gesamtvaterlandes jede Stadt mit der andern verfeindet. Dies sollten wir bedenken, und alle Bürger, alle Städte sich die Hand reichen und einmüthig zur Rettung Siciliens zusammenstehen. Wähne niemand, dass die Athener nur für die Dorier unter uns Feinde, die Chalcidenser aber durch ihre ionische Abstammung geschützt seien. Nicht die Theilung der Nationalität auf der Insel, nicht Hass nur gegen die einen führt sie her; nach den Gütem Siciliens steht ihr Sinn, und diese gehören uns allen an. Was war noch jüngst ihre Zuvorkommenheit gegen die chalcidischen Städte anders? Wann hatten ihnen diese je um der Bundesfreundschaft willen Hülfe geleistet, dass sie so zuvorkommend sich beeilten, aus der Vertragspflicht Ernst zu machen? Den Athenern indes sind ihre weitblickenden Eroberangsgedanken gar nicht zu verargen, und ich tadle überhaupt nicht die Herrschsucht, sondern einzig die bereitwillige Unterwürfigkeit . Ist es dem Menschen nun einmal angeboren, seine Ueberlegenheit geltend zu machen, warum nicht auch die Nothwehr gegen einen Angreifer? Was hälfe uns aber die Einsicht in unsre Lage , wenn wir nicht das Richtige vorkehrten, wenn wir nicht mit dem Vorsatz gekommen wären, alle muthig zusammenzutreten wider die gemeinsame Gefahr. Und wie leicht wäre sie abzuwenden, wenn wir unter einander Frieden machten; denn wenn sie niemand zu Hülfe ruft, können die Athener von ihrem Land her gar keinen Krieg anfangen. So vertauschen wir also nicht blos den Feind, sondern haben gleich umsonst Frieden statt des Bürgerzwistes und können die bösen Absichten dieser gleissnerischen Nothhelfer auf die gefahrloseste Weise zu schänden machen. Dies sind die Vortheile, welche, alles wohl erwogen, Athen gegenüber zu gewinnen sind. Und warum sollten wir schon uns selber das gepriesene Glück des Friedens länger vorenthalten? Saget selbst, wird nicht jedes Gut, das wir besitzen, sowie jedes Uebel im Frieden besser geschirmt und leichter gehoben als im Kriege, erfreuen sich nicht auch Würden und Ehrenstellen, kurz alle Dinge, im Frieden eines gesicherteren Bestandes? Doch das bedarf nicht erst langen Beweises, so wenig als das Elend des Krieges. Möchte nur angesichts dieser Wahrheit niemand meine Worte verachten, möchten sie vielmehr einen jeden veranlassen in Zeiten auf seine Selbsterhaltung bedacht zu sein. Sollte aber jemand auf sein Recht oder seine Macht pochen bei seiner Hoffnung auf Erfolg, der möge das Schicksal fürchten und seine bittern Enttäuschungen. Wie viele haben nicht schon an einem Angreifer sich rächen, andere in Hoffnung auf vermeintliche Macht als Eroberer auftreten wollen und haben nicht etwa nur ihre Rache nicht befriedigt, sondern sie mit dem Leben bezahlen, und die andern, statt sich zu bereichern, noch ihr Eigenes darüber einbüssen müssen. Ja wenn die Nothwehr als der angegriffene Theil stets auch zu ihrem Rechte käme, wenn der Mächtige an seinem Selbstgefühl auch eine Bürgschaft hätte, und nicht die Ereignisse grösstentheils unter dem Gebot des Zufalls stünden, der, so blind er auch ist, doch dadurch wieder höchst heilsam sich erweist, dass die über alle verhängte Furcht der Fehdelust einen Damm entgegenstellt.